HOLZWERK
HOLZWERK

Das Haus Altstadt 6 wird derzeit grundlegend saniert. Gekauft hat das fast 600 Jahre alte Gebäude der Informations-Technik-Fachmann Michael Schade im September vergangenen Jahres. Er will es als Wohn- und Geschäftshaus nutzen. Seit dem Frühjahr dieses Jahres ist die Büdinger Zimmerei Holzwerk dort an der Arbeit, um es nach den Plänen der erfahrenen Diplom-Ingenieurin und Architektin Nina Brambier in enger Absprache mit den Denkmalfachbehörden des Landes und des Kreises grundlegend zu sanieren und zu gestalten.

Bei den dendrochronologischen Untersuchungen stellte sich heraus, dass der hintere, älteste Teil des Gebäudes bereits 1417 entstand. Es ist sogar älter als das Büdinger Urhaus in der Kronengasse. Bei diesen Untersuchungen wird anhand der Jahresringe das Alter des Holzes festgestellt.

Das Fachwerk besteht durchweg aus Eichenholz, berichtete Brambier. Anne Rose Tisje, eine Vermessungs- und Bauforscherin eines Ingenieur- und Planungsbüros in Leutershausen, konnte durch Holzproben, die sie an 20 unterschiedlichen Stellen des Fachwerks entnahm, fünf Bauphasen nachweisen:

Die Erstbauung war im Jahr 1417, also vor fast 600 Jahren. Umbauten wurden in den Jahren 1671, 1771, 1801 und 1819 vorgenommen. Einige bauliche Veränderungen aus dem 20. Jahrhundert waren durch stilistische Merkmale ebenfalls festzustellen. Im ältesten Teil des Hauses steht noch ein durchgehender Ständer aus dem Jahr 1417, der bei den jetzigen Sanierungsarbeiten bereits an einigen Stellen ergänzt und ausgebessert wurde.

Das Besondere an diesem Gebäude sind einige durchgehende Ständer und Riegel, was wohl im 15. und 16. Jahrhundert nicht die übliche Bauweise war. Es misst 6 auf 12 Meter, hat ein Erdgeschoss, ein Ober- und ein Dachgeschoss und einen Spitzboden, erklärte die Architektin. Bei der Sanierung wird Wert gelegt auf die größtmögliche Erhaltung der Grundsubstanz. Nina Brambier und Stefan Hügel, Zimmerermeister und Restaurator im Handwerk, zugleich Chef von Holzwerk, die auch bereits das Büdinger Urhaus vorbildlich sanierten und zu einem Schmuckstück gestalteten, fertigten bereits im Winter eine Zustandsaufnahme und Schadensanalyse des 600 Jahre alten Bauwerks an. Danach erstellten sie einen Maßnahmenkatalog, was wie erhalten werden kann und was ersetzt werden muss. Alle Reparaturen am Holz werden vorgenommen aus Ersatzstücken in Eiche, die die gleiche Holzfeuchte haben müssen.

Das Holz für Reparaturen und Ausbesserungen ist aus Zweitverwendung, das heißt, es kommt aus alten Gebäuden, die abgerissen werden mussten“, erklärte die erfahrene Architektin. „Einige Deckenbalken mussten wir komplett ausbauen und auf Pilz untersuchen, weil sie einen weißlichen Überzug hatten, aber es war glücklicherweise kein Pilz. So mussten nur die schadhaften Stellen herausgenommen und ersetzt werden. Das Fachwerk wird mit Färberwaid behandelt, einem Holzschutzmittel auf pflanzlicher Basis“, merkte Brambier an.

Dass in diesem Haus, in dem zuletzt eine türkische Metzgerei im Untergeschoss ihren Platz hatte, etwas Grundlegendes vorgeht, merkten die Altstadtbewohner spätestens daran, dass im Frühsommer große Container davor standen, die mit Unmengen an Schutt, Lehm und Stroh gefüllt wurden. „Fünf Container haben wir schon abgefahren, der sechste steht halbvoll vor der Tür“, sagte Roland Balzer vom Team der Holzwerker. Nach Sanierung des Fachwerks sind etliche Wände zwischen den Gefachen mittlerweile bereits mit ungebrannten Lehmsteinen hochgemauert.

Auch die hintere Giebelwand ist bereits fertig. Hier mussten ein neues Fundament und neue Sandsteinmauern aufgebaut werden, ebenso die Rahmen um Fenster und Türen aus Sandstein erneuert oder ausgebessert werden. Bereits 35 Prozent der Sanierung sind geschafft, aber es sieht noch nach jeder Menge Arbeit auf der Baustelle aus. Ein Jahr hat die Architektin für das Projekt angesetzt und bespricht sich jede Woche mit Corina Sauerwein von der Unteren Denkmalschutzbehörde. Ist die Renovierung erst mal weitgehend abgeschlossen, bekommen die Wände im Untergeschoss einen Kalkputz, in den oberen Geschossen Lehmputz mit Schilfmatten darunter als Dämmung und Putzträger.

Sehr ideenreich müssen die Architektin und der Zimmerermeister auch in Bezug auf die Raumhöhe sein, die betrug nämlich im oberen Geschoss nur 1,82 Meter und machte deutlich, wie klein die Menschen noch vor 500 Jahren waren. „Mit einer in den Boden eingelassenen Badewanne und einer Vertiefung vor dem Waschbecken bekommen wir es hin, dass der Bauherr sich nicht bücken muss beim Rasieren“, verdeutlichte Nina Brambier.

Quelle: Kreis-Anzeiger Wetteraukreis aus 2005
Verfasst von Monika Eichenauer